New Work heisst also die Sau, die gerade durch viele digitale Dörfer getrieben wird. Als Betreiber eines Coworking Spaces auf Mallorca, vor allem aber als langjähriger Consultant und nunmehr als Freelancer, der eine Menge Unternehmen aus der Draufsicht kennt, komm ich natürlich nicht drumrum, dieses Schwein auch ein bisschen zu treiben.
Wie immer mit dem neuen Borstenvieh gibt es jede Menge Artikel, Meinungen und Ansichten dazu – hier ist jetzt meine Sicht der Dinge.
Was ist New Work für mich?
Oder andersrum: Was unterscheidet New Work von Old Work, also von dem, was ich in der Schule (70er/80er) beigebracht bekommen habe sein zu müssen in der Arbeitswelt? Ich zieh mir hier mal ganz grosse Schuhe an: New Work ist der Ausgang des Lohnarbeiters aus seiner selbstgewählten Unmündigkeit.
Genau: Infused by Immanuel Kant sowie Frithjof Bergmann – ich sag ja: grosse Schuhe und auch noch zwei Paar davon. Aber dass heisst auch: So neu sind die Gedanken und Konzepte also auch nicht.
Vorbild: Passion Project Autowerkstatt
Zu meinem Glück hatte ich einen Vater, der mit dem klassischen Karrierepfad auch nichts anfangen konnte. Mein Vater liebte Autos, er liebte es auch Dinge zu reparieren und Lösungen zu finden. Da wiederum zahlen Kunden Geld für… Das nennt man wohl einen Markt. Er wurde Automechanikermeister und betrieb eine Tankstelle mit Werkstatt – insgesamt sogar zwei in seinem Leben. In etwas über 30 Jahren hat sich öfter mal was geändert – mal selbstgewählt, mal durch äussere Umstände forciert. Aber er konnte jeweils selbst entscheiden, wie er damit umgeht.
So lange bis der Shop das zentrale Element einer Tankstelle und die Werkstatt an den Rand gedrückt wurde. Diese Richtungsvorgabe der Ölkonzerne, denen in der Regel die Tankstellen gehören, machte er dann nicht mehr mit und ging in den Ruhestand. Alles in allem hat mich das doch sehr beeinflusst. Und mein Vater hat mir unbewusst ein gutes Beispiel gegeben, wie man arbeiten kann.
Meine Eltern waren schon sehr frei in der Gestaltung ihrer Arbeitswelt. Und diese Freiheit ist ein wesentliches Element von New Work.
Freiheit?
Welche Freiheit meine ich damit:
- Nun, Ich selbst bin nicht so gut im Abarbeiten von vorgefertigten Auftragslisten oder Prozessen. Meine Neugier zwingt mich, das verstehen zu wollen, was ich tue – zumindest das Prinzip. Ich hab doch nicht Abitur gemacht und studiert um als Erfüllungsgehilfe eines von anderen definierten Prozesses mein Dasein zu fristen, oder?
- Auch bin ich daran interessiert das Resultat meiner Arbeit zu sehen – das gibt mir dieses schöne Gefühl etwas bewegt zu haben. Das kann das Lächeln eines Kunden oder einer Kundin sein, deren Problem gerade gelöst wurde oder aber auch einfach ein elegantes, funktionierendes Stück Software.
- Und natürlich kommt noch dazu, dass ich gerne Probleme weiter verfolge, bis zu einer Lösung. Das kann zeitlich mal ausarten oder aber auch längere Nachdenkphasen beinhalten – was gerne nach Nichtstun aussieht.
Die Möglichkeit zu haben, diese drei persönlichen Wesenszüge in meiner Arbeit ausleben zu können, ist für mich Freiheit. Und natürlich die Möglichkeit eine Arbeit abzulehnen, die ich aus den verschiedensten Gründen nicht machen möchte. Es ist ein Privileg unserer Zeit, auch anders zu können.
All das geht (meist) nicht in der klassischen Arbeitswelt
In einem grösseren Unternehmen, welches nach Prinzipien der Industrieproduktion –Stichwort Taylorismus– aufgestellt und optimiert wurde, komme ich mit meinem Wesen nicht weit. Bei Projekten als Consultant in solchen Firmen erlebe ich regelmässig in welch engen Korsetts die MitarbeiterInnen dort stecken. Viele der Hindernisse auf dem Weg zur erfolgreichen Installation einer Software zum Beispiel sind nicht technischer Natur sondern in den Prozessen eingebaut. Und die Beseitigung ist mühsam, vor allem, wenn man mit etwas Neuem ums Eck kommt, für das es eben noch keinen Prozess gibt.
Das sind für mich klassische Kennzeichen von Old Work: prozessgetrieben, unkreativ, industrialisiert, normiert, starr aber vor allem: kontrollierbar mit Zahlen. Und damit das Gegenteil von dem was den Menschen an sich ausmacht. Diese finden dann, schlau und kreativ wie sie sein können, gerne Schlupflöcher oder work arounds, mit denen sich dann doch noch was erreichen lässt ohne das ganz grosse Rad drehen zu müssen. Das passiert aber meist im Geheimen und es darf niemand sonst wissen. Das hat mit frei nicht viel zu tun.
Vertrauen, Kommunikation, Respekt
Neben der Freiheit gibt es aber noch einen, für mich sogar wichtigeren Aspekt von New Work. Nämlich der Umgang miteinander. Eigentlich ist das auch gar nicht NEW, sondern es sollte selbstverständlich sein sich gegenseitig zu respektieren, zu kommunizieren und ein gewisses Vertrauen zu haben. Irgendwie haben wir das im Zeitalter der Industrialisierung verlernt.
Es ist Zeit es wieder zu lernen und das Zeitalter der Information, des Wissens und des Austausches einzuleiten. Das wird uns dann auch in ganz anderen Bereichen helfen. Eine vernünftige Diskussion beinhaltet zum Beispiel, dass ich meinem Gegenüber erstmal zuhöre und auch mal akzeptiere, dass der- oder diejenige ein Problem hat.
Ich muss dieses Problem ja nicht zu meinem machen, oder das gar als Angriff auf mich werten. Die immer wieder aktuelle Hassdebatte, also die Diskussion um den Umgang mit Hasskommentaren, etc. zeigt, wie ein Old Work-Ansatz zur Lösung aussieht: Die Entscheidung wird auf die höhere Ebene verlegt, und die Verantwortung für die Gestaltung des Prozesses –zum Beispiel wer wann was zu löschen hat– wird der Politik bzw. den Plattformbetreibern (Facebook, Twitter, YouTube…) übergeben. Da aber jeder Mensch ein anderes Empfinden darüber hat, was Hass, was beleidigend, etc. ist werden wir hier jede Menge Ausnahmeprozesse, individuelle Einschätzungen und Entscheidungen brauchen.

Prozesse für Automaten
Feste Prozesse können natürlich auch hilfreich sein: zum Beispiel bei der Einarbeitung in einen neuen Job, quasi als Starthilfe. Ebenso wenn die Umgebungsbedingungen fest vorgegeben sind, wie in der Industrieproduktion. Nicht erst sei heute entfernt sich unsere Arbeitswelt jedoch zunehmend von den streng definierten Umgebungen – genau diese fest definierten Abläufe lassen sich prima von Automaten erledigen, als menschliche Arbeitskraft wird damit meine Arbeit fast schon automatisch in Richtung individueller Problemlösung geschoben. Eben dann, wenn die Prozesse nicht mehr greifen, und eine Betrachtung im Kontext sowie eine Einzelfallentscheidung erfolgen muss, wird es Zeit Verantwortung zu übernehmen.
Für die Industrie passte das perfekt, aber schon Frederick Winslow Taylor –exakt, der Begründer des Taylorismus– selbst hat erkannt, dass diese Art der Arbeit die Arbeiter abstumpft und verdummt – und nicht etwa umgekehrt. Wer jeden Tag denselben Arbeitsschritt immer und immer wieder macht ohne das Gesamtergebnis seiner Arbeit zu sehen verliert tatsächlich IQ-Punkte. Und Kreativität, Problemlösungsfähigkeiten, Interesse.
Damit wird eine Menge Potenzial verschenkt, das wir für die Innovation und die Zukunft aber brauchen. Ein bisschen mehr Info hat der Hirnforscher Gerald Hüther in einem lesenswertes Interview in der FAZ gegeben.
Was machen wir jetzt?
Das ist, wie gesagt, meine persönliche Sicht auf New Work und was es für mich bedeutet. Ganz alleine stehe ich nicht damit, wie ihr in lesenswerten Beiträgen von Gaby Feile (Die Wahrheit über New Work!) sowie Christian Müller (Was ist New Work) nachlesen könnt. Oder mitdiskutieren könnt auf der Coworking Konferenz mit Barcamp Cowork (2018 in Bremen, 9.-12. März 2018).
Aber wie kommen wir jetzt von der alten Art zu arbeiten zum Neuen? Einfach wird’s nicht aber es gibt gute Beispiele wie das gehen kann, von denen ich ein oder zwei im nächsten Blogpost hier vorstellen werde. Freut Euch schon mal auf New Work: Auf dem Weg in die schöne neue Arbeitswelt.
Eine Antwort zu „My New Work – Die Sau und ich“
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