Remote Arbeit muss nicht verrückt machen

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Remote Arbeit muss nicht verrückt machen

In der aktuellen Folge meines Podcasts hab ich mir wieder ein Buch, oder besser drei vom selben Autorenpaar geschnappt. Darin beschreiben sie, wie sich ein anderer beziehungsweise entspannterer Arbeitsalltag erreichen lässt. In Zeiten von Home Office sicher ein spannendes Thema. 

Wo kommt jetzt der Titel her? Nun, in den letzten zwei Monaten ergab sich viel Gelegenheit darüber nachzudenken, woran und wie man so arbeitet. Viele sind ja von heute auf morgen ins Home Office geschickt worden – also zum Remote-Arbeiten – was gut ist und schön ist, und viele Vorteile hat. Nun, zumindest in den Augen von Doris und mir. Und das schon immer.

Natürlich gibt es auch Nachteile, und es kann einen verrückt machen – vielleicht aber auch entspannter. Auf alle Fälle hat man mehr Zeit, oder? Zum Beispiel um Bücher zu lesen oder sich mit der eigenen Arbeit zu beschäftigen oder beides.

Buch "It doesn't have to be crazy at work" im Patio
Entspanntes Lesen und Arbeiten im Coworking Space

Ich bin dabei über ein Buch gestolpert von Jason Fried und David Heinemeier Hansson, den Gründern von Basecamp. Das Buch heißt „It doesn’t have to be crazy at work“ – also „Es muss nicht verrückt sein auf der Arbeit“ –, und es ist das dritte Buch der beiden zum Thema Neues Arbeiten. Das erste war Rework von 2010 und das zweite Remote von 2013, hat also schon sieben Jahre auf dem Buchrücken, und es ist jetzt umso aktueller. Alle 3 sind Sammlungen von Denkanstößen und Erfahrungen, die die beiden in der Firma gemacht haben und keine Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Jede:r muss für sich und die eigene Firma raus finden, was passt.

Der Untertitel des aktuellen Buchs lautet: „How to become a calm company“ – Wie man eine entspannte Firma wird. Passt mit dem Remote wunderbar zusammen. Vieles ist allerdings gar nicht so entspannt momentan.

Und wenn ihr jetzt remotisiert worden seid, möchte ich euch auffordern: Nehmt euch mal Zeit darüber nachzudenken.

  • Wie ist die Situation so für mich?
  • Was kann oder möchte ich ändern?
  • Wie wird meine Firma entspannter?

Dazu gehört für mich, dass ortsunabhängiges Arbeiten normal sein muss, egal ob im Home Office oder im Coworking Space. Dabei stoßen wir an ein ganz grundsätzliches Problem. Es wird wahrscheinlich jede:r schon mal irgendwo erlebt haben: Der Mangel an Vertrauen.

Remote-Arbeit und das Management

Das Management fragt sich:  „Wie kann ich sicher gehen, dass jemand arbeitet, wenn ich ihn oder sie nicht dabei sehen kann?“ Präsenz also als Arbeitskontrolle, schliesslich wird ja nach Zeit bezahlt. Grundannahme: Wenn jemand präsent ist, dann arbeitet derjenige oder diejenige auch. Aber die Antwort auf diese Frage ist dieselbe wie auf die gegenteilige Frage: „Wie kann ich sicher gehen, dass jemand arbeitet, wenn ich ihn sehen kann?“ Die Antwort lautet nämlich: „Kannste nicht!

Niemand kann in die Köpfe anderer Menschen schauen. Falls jemand am Schreibtisch sitzt und Dinge tut, heißt das noch lange nicht, dass er oder sie etwas tut, was er oder sie tun soll.

Das heißt, egal, ob remote oder in der Firma, ich muss auf die geleistete Arbeit schauen, um zu sehen, ob etwas und am besten noch das Richtige passiert. Das ist eine Kernfrage, und zwar der Kultur der Firma, nicht der Technologie. Viele Arbeitskulturen werden jetzt gerade auf die Probe gestellt. Beispielsweise mit dauerhaften Video-Konferenzen,  die im Prinzip das abbilden, was man der Firma schon hatte. Vielleicht sind die Firma oder das Büro jedoch kein Musterbeispiel einer effektiven Arbeitsumgebung.

Interruption Factories und M&Ms

Jason nennt Büros  „Interruption Factories“ also Unterbrechungs-Fabriken. Wenn ich dahin gehe, gebe ich die Hoffnung auf einen ruhigen Arbeitstag an der Garderobe ab. Ich erteile einen Freibrief, dass ich gestört, belästigt, jederzeit angesprochen, gefragt, zu Meetings geholt werden darf; immer wenn es den anderen passt. Und damit bekomme ich natürlich von meiner Arbeit nur noch wenig auf die Kette. Ich werde ja dauernd unterbrochen.

Es gibt einen sehr schönen TEDx Vortrag von Jason dazu. Für ihn ist neben der Interruption Factory ein grosses Problem in Büros die „M & Msausgesprochen: Managers and Meetings. Der Titel des Vortrags lautet „Why work doesn’t happen at work“ – „Warum Arbeit nicht in der Arbeit passiert“.

The wrong time for real time – JOMO

Dann gibt es jede Menge Video-Konferenzen, und die können genauso eine Pest sein wie Meetings, wenn sie falsch eingesetzt werden. Dazu kommen die Chat-Tools und Messenger. Der Umgang mit allem sollte zur Arbeitskultur passen und nicht dazu führen gefühlt Always ON sein zu müssen. Pfeift auf FOMO  (Fear of Missing Out) und gebt der JOMO (Joy of Missing Out) eine Chance, empfiehlt Jason. 95 Prozent des Inhalts der Gruppenkanäle ist nicht wirklich relevant für dich oder deine Arbeit, also müssen sie auch nicht permanent abgehört oder verfolgt werden.  Ihr steht ja auch nicht permanent in der Kaffeeküche, wenn ihr im Büro seid, oder?

Gruppen-Chats sind in den wenigsten Fällen als Echtzeit-Tool geeignet und schon gar nicht als Arbeits-Kontrollmittel. Entspannt euch – das Ohr an der Wand hilft nicht bei der Arbeit und wenn etwas wichtiges passiert, werdet ihr es nicht verpassen. Kleiner Tipp: In Slack lassen sich Benachrichtigungen auf Schlüsselworte einrichten. Ich selber habe immer nur die Kanäle die für mich aktuell wichtig sind auf Sofort-Benachrichtigung stehen. Alle anderen schaue ich mir 1-2 mal am Tag an.

Pro-Tipp im Buch: Office Hours. Damit sind Zeitfenster gemeint, während denen ich angesprochen werden kann. Jede:r hat Fachwissen auf einem bestimmten Gebiet und es ist schön deswegen geschätzt zu sein. Weniger schön ist es wenn einen jede:r jederzeit anquatschen kann. Das stört einfach. Eine Methode das zu verhindern ist tägliche oder wöchentliche Anwesenheitszeiten im Slack Status (oder dem Äquivalent bei einem der anderen Tools) anzugeben. Zum Beispiel „Mo,Di,Mi 10-12 für Fragen verfügbar“. Das ist natürlich auch wieder eine Kulturfrage und sollte am besten in der ganzen Firma so gehandhabt werden.

Don’t cheat sleep

Schlaf ist wichtig für die Gesundheit und jede:r der mit 3 Stunde Schlaf pro Nacht auskommt wird das früher oder später bereuen. Schlafentzug ist offiziell Folter und macht auch noch dumm – ja, das kostet nachgewiesenermassen IQ-Punkte und schädigt auf Dauer das Gehirn, da im Schlaf schädliche Gifte abgebaut werden (siehe verlinkter WIRED Artikel).

In der aktuellen Situation scheinen die Menschen auch länger zu schlafen, wenn keine Schule beliefert werden muss und der Weg zur Arbeit auf wenige Meter verkürzt ist. Statt 7:45 wie noch Anfang März ist jetzt der Hauptwasserbrauch um 10 Uhr morgens, zumindest laut den offiziellen Statistiken; nachzulesen in der Zeit (siehe Link-Liste). Die Morgenroutine (Duschen, rasieren, etc.) findet also deutlich später statt – das klingt schon mal gesünder.

Weniger tun ist eine Option: Produktivität vs. Effektivität

Auch die sogenannte Produktivität ist Top-Thema im Home Office. „Life-Hacks“, Tools zur Produktivitäts-Steigerung, etc. helfen allerdings nur dabei den eigenen Kalender möglichst voll zu machen und noch die kleinste Lücke auszunutzen – ähnlich wie bei Tetris. (Übrigens die Beobachtung, die Doris dazu brachte, ihren Produktivitäts-Podcast nicht zu veröffentlichen). Leider verschwinden die komplettierten Zeilen nicht sondern erzeugen Stress. Ziel sollte es sein, die Effektivität zu erhöhen und das Tagesziel mit weniger Aufwand zu erreichen. Und wieder wird der Tag entspannter und Zeit bleibt übrig.

Nein zu sagen ist oft hart aber durchaus eine valide Option. Nicht alles was sich machen lässt muss auch gemacht werden. Meine beiden Lieblingszitate aus dem Buch:

  • Nein ist ein Nein für eine Sache – Ja ist ein Nein für 1000 Sachen
  • Nein ist ein Präzisions-Instrument, das ist wie ein Skalpell eines Chirurgen oder ein Laserstrahl. Genau auf einen Punkt fokussiert. Das Ja ist eher so ein stumpfes Ding, so eine Keule oder ein Netz, mit dem ich alles zusammen erschlagen  oder einfangen kann.

Warnhinweis: Unabhängigkeit entspannt

Um das umzusetzen braucht es bei Firmen meist die Unterstützung der Firmenleitung. Im Falle von Basecamp ist das einfach, da es sich um eine private Firma handelt die weder an der Börse ist noch Geld von Investoren hat. Sie wächst aus sich heraus, langsam aber fundiert und das Management kann Entscheidungen treffen, die zum Wohle der Mitarbeiter sind – unabhängig von Shareholdern und Investoren.

Soweit zum Vorgeschmack; mehr Details gibt es im Podcast. Also losgehört – entweder direkt hier oder auf Podcast.de.

Podcast.de – RaynaCast 08

Und für den iTunes Feed gibt es hier den Link: iTunes – RaynaCast 08

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erschien zuerst im Blog

rayaworx.eu

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